Lasst uns über Reichtum reden!
Diakonie Hessen fordert Vermögenssteuer für Superreiche / Aktion #wegenarmutnichtdabei zum Tag für die Beseitigung von Armut am 17. Oktober
15.10.2024
Diakonie Hessen-Aktion #wegenarmutnichtdabei zum Tag für die Beseitigung von Armut am 17. Oktober
Nach Schätzungen der Deutschen Bundesbank besitzt das vermögendste Prozent der Deutschen knapp ein Drittel des Gesamtvermögens. Fast jeder fünfte Mensch ist hingegen von Armut betroffen. Diese und viele weitere Fakten hat die Diakonie Hessen zum Tag für die Beseitigung von Armut zusammengetragen und macht mit ihrer Kampagne #wegenarmutnichtdabei auf die prekäre Situation aufmerksam. „Anstatt die Schuld nur bei den von Armut Betroffenen und Bedrohten zu suchen, sollten wir uns fragen, wie wir zu gerechteren Vermögensverhältnissen kommen“, sagt Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen. Menschen in Armut sind vielfach außen vor. Sie können sich nicht gesund ernähren, ihre Kinder nicht ausreichend mit Bildung und Freizeitangeboten fördern und leiden unter steigenden Heiz- und Wohnkosten. Hinzu kommt, dass viele immer weiter in die Verschuldungsspirale geraten. Carsten Tag: „Politische Entscheidungen begünstigen viel zu oft diejenigen, die ohnehin viel besitzen. Das ist schlichtweg unfair. Wir brauchen mehr Fairness in der Verteilung von Reichtum und Vermögen und eine gerechtere Besteuerung von Einkommen und Finanzerträgen. Wer von Armut spricht, darf auch zum Reichtum nicht schweigen, denn beides hängt miteinander zusammen.“
Familien mit geringem Einkommen müssen stärker entlastet werden
Einkommensschwache Familien werden benachteiligt. Das zeigten auch die Pläne der Ampelregierung, den Kinderfreibetrag für einkommensreiche Familien noch weiter anzuheben, während das Kindergeld gleichzeitig kaum erhöht würde. Die maximale Entlastung für Gut- und Spitzenverdiener aufgrund von Freibeträgen beträgt 368 Euro monatlich. Das ist deutlich mehr als das Kindergeld von 250 Euro monatlich, das Normal- und Geringverdienern zur Verfügung steht. „Wir finden es sehr bedenklich, dass so wenig über faire Lastenverteilung gesprochen wird“, ergänzt Dr. Melanie Hartmann, Abteilungsleitung für Existenzsicherung und Armutspolitik bei der Diakonie Hessen. „Stattdessen findet ein zunehmender Abgrenzungsdiskurs „nach unten“ statt. Armutsbetroffene Personen werden in politischen und gesellschaftlichen Debatten stigmatisiert. Menschen, die auf monetäre Sicherungsleistungen angewiesen sind, werden abgewertet und diffamiert. Gleichzeitig führen zunehmende Ungleichheit und Abstiegsängste bis hinein in die Mittelschicht zu einer Gefährdung demokratischer Grundwerte.“
Vermögenssteuer wieder einsetzen
Eine Haushaltsbefragung des sozioökonomischen Panels (SOEP-P) schätzt, dass das vermögendste Prozent der Deutschen sogar 35,3 Prozent des Gesamtvermögens besitzt1.
Auf die ärmere Hälfte der Bevölkerung entfallen laut neuesten Zahlen von 2023 der Europäischen Zentralbank hingegen lediglich 2,3 Prozent des Gesamtvermögens2. „Mit unseren diakonischen Angeboten wie den Tafeln, der Wohnungsnotfallhilfe, Allgemeinen Sozial- und Lebensberatungsstellen, der Schuldnerberatung, Sozialkaufhäusern oder Einrichtungen der Jugendberufshilfe setzen wir uns tagtäglich für die Linderung von Armut und Not ein. Doch unser Engagement löst nicht das Problem der ungerechten Verteilung. Wir wollen, dass sich die Verhältnisse wirklich ändern und sich Reichtum und Vermögen nicht nur bei einigen wenigen Menschen konzentrieren“, ergänzt Melanie Hartmann.
„Lasst uns doch endlich auch wieder über Reichtum reden und wie wir ihn gerechter verteilen können. Es gäbe bei der Erbschafts- und Vermögenssteuer oder auch bei der Kapitalertragssteuer einige Stellschrauben, an denen wir drehen könnten“, sagt Carsten Tag. Bis 1996 hat es in Deutschland beispielsweise eine Vermögenssteuer gegeben. Seitdem ist sie ausgesetzt. Die gemeinnützige Organisation Oxfam hat ausgerechnet, dass dadurch allein bis Ende 2023 380 Milliarden Euro in der Gemeinschaftskasse fehlten3. „Dieses Geld wäre im Ausbau guter Bildungseinrichtungen, eines bezahlbaren ÖPNV, in der Sanierung maroder öffentlicher Infrastruktur oder für die gleichwertige Gesundheitsversorgung für alle Menschen gut angelegt“, sagt Carsten Tag. „Eine Vermögenssteuer für Superreiche wäre ein kleiner Schritt für Hochvermögende, aber ein großer Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit!“
Zur Aktion #wegenarmutnichtdabei
Die Diakonie Hessen zeigt zum Tag für die Beseitigung von Armut am 17. Oktober mit ihrer Aktion #wegenarmutnichtdabei, wie sich Armut auf das Leben der betroffenen Menschen auswirkt. Mehr Informationen zur Kampagne und zu den Fakten rund um Armut in Hessen: www.diakonie-hessen.de/armut
Quellenangaben:
1 DIW Berlin: MillionärInnen unter dem Mikroskop: Datenlücke bei sehr hohen Vermögen geschlossen – Konzentration höher als bisher ausgewiesen
2 BMWK - Vermögensungleichheit in Deutschland und Europa
3 Vermögenssteuer: Keine Angst vor Steuerflucht (oxfam.de)
Kontakt
Dr. Melanie Hartmann
Leitung Existenzsicherung, Armut, Gemeindediakonie
melanie.hartmann@diakonie-hessen.de 069 79476272