5 Fragen - 5 Antworten

Brachliegendes Potenzial

„f3 – frauen fördern führung“ - ein Projekt für mehr Frauenförderung in der Diakonie Hessen

Interview mit Julia Maas, Leiterin des Projekts in der Diakonie Hessen, über die Ziele des Projekts und was sich nun ändern soll / Equal Pay Day am 7. März

Der Gleichstellungsatlas der Diakonie Deutschland 2019 hat gezeigt: Obwohl zwei Drittel der Belegschaft weiblich sind, sind Frauen in Aufsichts- und Entscheidungsgremien sowie in Leitungspositionen nur wenig vertreten (zum Gleichstellungsatlas). Zudem nimmt der Anteil von Frauen in den höheren Gehaltsklassen ab. Auch in der Diakonie Hessen sieht es auf dem ersten Blick so aus, dass obwohl ein Großteil der Mitarbeitenden weiblich ist, sich dies auf den Führungsebenen nicht anteilsmäßig widerspiegelt. Um das zu ändern, wurde das Projekt „f³ – frauen fördern führung" ins Leben gerufen. Denn sowohl im Landesverband Diakonie Hessen als auch in seinen Mitgliedseinrichtungen sind mehr Frauen in Führungspositionen gewünscht. Wir haben mit Julia Maas, zuständig für Frauenförderung bei der Diakonie Hessen, gesprochen und wollen wissen, warum es das Projekt „f³“ gibt und was sich für Frauen in der Diakonie Hessen ändern soll.

1. Frau Maas, warum braucht es das Projekt „f³ – frauen fördern führung" in der Diakonie Hessen?

Vielleicht haben Sie schon einmal von dem so genannten Thomas-Prinzip gehört, welches durch eine Erhebung der AllBright Stiftung im Jahr 2017 bekannt wurde. Sie fand heraus, dass die deutschen Vorstände der an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen extrem homogen und durch und durch von „Thomas“ geprägt sind: Im März 2017 bestanden die Vorstände zu 93 Prozent aus Männern, die sich in Alter, Herkunft und Ausbildung stark glichen. Fünf Prozent der CEOs hießen Thomas, und es gab mehr Vorstandsmitglieder, die Thomas oder Michael hießen (49), als es insgesamt Frauen gab (46).

Nun sind wir kein DAX-Unternehmen, sondern ein Wohlfahrtsverband. Trotzdem wage ich zu behaupten, dass es auch in der Diakonie Hessen eine Reproduktion vorhandener, homogener Strukturen gibt.
 

2. Wie sieht denn der Frauenanteil in der Diakonie zurzeit aus?

Der Gleichstellungsatlas der Diakonie Deutschland zeigt, dass obwohl mehr als drei Viertel der Belegschaft der Diakonie weiblich ist, die männlichen Mitarbeitenden in den meisten Gremien und Leitungsebenen überrepräsentiert sind. Die Vermutung liegt nahe, dass auch in der Diakonie Hessen der Anteil von Männern auf der obersten Führungsebene überwiegt. Um dies genauer beziffern zu können, habe ich bis zum 27. Februar 2022 eine Erhebung unter den Mitgliedern der Diakonie Hessen durchgeführt. Da die Auswertung noch nicht abgeschlossen ist, kann ich derzeit noch nichts Genaues dazu sagen. Sobald mir aber Daten vorliegen, werde ich diese veröffentlichen und allen Interessierten zugänglich machen.

3. Wie kam es zu dem Projekt?

Die Mitgliederversammlung der Diakonie Hessen hat im November 2018 beschlossen, sowohl die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates als auch die der Mitgliederversammlung um folgenden Passus zu ergänzen: „Die Mitgliederversammlung bekennt sich zu dem Ziel einer geschlechtergerechten Zusammensetzung von Gremien, Organen und von Leitungsstellen. Dieses Ziel soll durch geeignete Maßnahmen befördert werden.“

Im Jahr 2019 schloss sich zudem ein Kreis von Vorständinnen innerhalb der Diakonie Hessen zu dem Netzwerk „FiF – Vorständinnen in der Diakonie“ zusammen. Anstoß dazu gab die Forschungsarbeit von Tamara Morgenroth, heute Leiterin des Diakonischen Werks Region Kassel, zum Thema „Ursachen der Unterrepräsentanz von Frauen in Vorstandsetagen am Beispiel diakonischer Träger und Verbände“. Gemeinsam erarbeiteten die Vorständinnen schließlich ein Konzept, um die Förderung von Frauen voranzubringen und stellten einen Projektantrag beim Förderfonds der Diakonie Hessen. Dadurch konnte im Frühjahr 2021 das Projekt „f³ – frauen fördern führung“ an den Start gehen. Zwei der Vorständinnen aus FiF begleiten das Projekt auch in einem Beirat.

4. Wie wollen Sie mit dem Projekt Frauen in der Diakonie Hessen künftig besser fördern?

Ich komme zurück zum eingangs erwähnten Thomas-Prinzip: Dieses Phänomen liegt nicht daran, dass Frauen keine Führungspositionen übernehmen wollen. Es sind die Rahmenbedingungen, die es ihnen schwer machen, in die obersten Ebenen vorzudringen. In der Regel stecken dahinter keine bösen Absichten, und Frauen werden auch nicht bewusst benachteiligt. Meist sind es etablierte Denk- und Verhaltensmuster, die bei der Stellenbesetzung dazu führen, eher auf das eigene Spiegelbild zurückzugreifen, als sich auf etwas Neues einzulassen. Ein weiteres Hindernis sind Stellenausschreibungen; häufig enthalten sie Wörter, von denen Frauen sich nicht angesprochen fühlen. Es kann aber auch am Stellenzuschnitt liegen, der nicht passend ist. Mit Blick in die Zukunft ist es nicht nur gesellschaftspolitisch unerlässlich, sich hier zu bewegen. Auch im Hinblick auf den demographischen Wandel finden wir unter den weiblichen Mitarbeiterinnen ein Potential, das bisher noch viel zu oft brach liegt. Beide Aspekte möchten wir den Mitgliedseinrichtungen bewusst machen und mit Fachtagen, Netzwerken, Förderangeboten und einem speziellen Mentorinnen-Programm mehr Frauen in Führungspositionen bringen.

5. Wie sieht es mit den Gehältern der Frauen in der Diakonie Hessen aus? Sind Frauen gleich gut bezahlt wie Männer?

Grundsätzlich könnte man davon ausgehen, dass dank unseres Haustarifs AVR alle Mitarbeiter*innen für die gleiche Arbeit das gleiche Gehalt bekommen, unabhängig von der Ausbildung oder weiteren Qualifikationen – so sieht es der Tarif vor.

Der Gleichstellungatlas der Diakonie Deutschland hat zugleich erhoben, dass es auch innerhalb diakonischer Einrichtungen auf Bundesebene Gehaltsunterschiede gibt. Allerdings liegt der unbereinigte Gender Pay Gap bei der Diakonie mit 7,4 Prozent deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Inwieweit sich das auf die Diakonie Hessen übertragen lässt, kann ich nicht überprüfen, da mir diesbezüglich bisher keine Zahlen zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass sich die Vergütung der Leitungsstellen (Bereichsleitungen und Vorstand) außerhalb des AVR bewegen.

Erstmals wurden 2010 umfassende Transparenzstandards für Caritas und Diakonie auf Bundesebene verabschiedet. Daraufhin kann man im Jahresbericht der Diakonie Deutschland von 2019/2020 zum Beispiel die Gehälter der Vorstände nachlesen. Auch die Diakonie Hessen hat ihren Transparenzbericht 2020 auf der Homepage veröffentlich. Die Gehälter der Vorstände der Diakonie Hessen sind darin zwar nicht enthalten. Aber ich sehe hierin eine grundsätzliche Bereitschaft beim Vorstand, sich des Themas Gleichberechtigung anzunehmen und damit auch das Projekt f³ zu unterstützen. Somit werden wir vielleicht auch in dem Bereich der Gehälter perspektivisch mehr Transparenz erleben.

Zur Förderung von Frauen in Führungspositionen

Mit dem Projekt "f³ - frauen fördern führung" möchte die Diakonie Hessen mehr Frauen in Führungspositionen bringen. Bis jetzt sind zwar ein Großteil der Mitarbeitenden innerhalb der Diakonie Hessen weiblich. Allerdings spiegelt sich das auf den Führungsebenen bisher nicht anteilsmäßig wider. Dies soll sich ändern. Zunächst wollen wir erheben, wie hoch der Anteil von Männern und Frauen in den oberen Führungsebenen im Bereich der Diakonie Hessen tatsächlich ist. Diese Erhebung bezieht alle angeschlossenen Mitglieder der Diakonie Hessen ein, die hauptamtlich organisiert sind. Aus den Ergebnissen sollen im nächsten Schritt passende Maßnahmen entwickelt werden, um den Anteil an Frauen zu erhöhen. Geplant sind etwa spezielle Mentor*innenprogramme, Fortbildungen, Fachtage. Wir sind interessiert an Austausch und Vernetzung. Machen auch Sie mit! Nur so bleibt die Diakonie Hessen und ihre Mitgliedseinrichtungen zukunftsfähig und attraktiv für Frauen.

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