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Demokratie und Menschenrechte müssen auch in der Migrationspolitik verteidigt werden

Vorhaben der neuen hessischen Landesregierung sind in Teilen mit Verfassung und internationalem Recht unvereinbar

02.02.2024

Vorhaben der neuen hessischen Landesregierung sind in Teilen mit Verfassung und internationalem Recht unvereinbar

Die migrationspolitischen Pläne der neuen hessischen Landesregierung sind in wei­ten Teilen nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention, der EU-Grundrechtecharta, der UN-Kinderrechtskonvention und dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, dem nationalen Migrationsrecht oder dem Grundgesetz vereinbar. Zu diesem Ergeb­nis kommen die Diakonie Hessen und der Paritätische Wohlfahrtsverband Hessen nach einer Analyse des Koalitionsvertrags von CDU und SPD:

„Anstatt positive Anreize zu setzen, atmet der Koalitionsvertrag fast ausschließlich den Geist von Desintegration und Restrik­tion“, so Carsten Tag, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen: „An mehreren Stellen überschreitet er außerdem die Kompetenzen eines Bundeslandes und offen­bart ein gefährliches Halbwissen der Verfasser*innen.“

Zwar enthält der Koalitionsvertrag einige Formulierungen, mit denen sich die Parteien zum Asylrecht, zum Schutz von Men­schen in Not und zur Integration von Geflüchteten bekennen. Diese werden jedoch konterkariert durch diametral entgegengesetzte Ankündigungen restriktiver und repressiver Maßnahmen. „In einer Zeit, in der Rechtsextremist*innen die Vertreibung von Menschen mit Migra­ti­onsgeschichte planen und das Grundgesetz aushöhlen wollen, sollten alle Demo­krat*innen bei der Verteidigung unserer Verfassung und der menschenrechtlichen Er­rungenschaften in Deutschland und Europa zusammenstehen. Dieser Herausforde­rung wird der Koaliti­onsvertrag nicht gerecht“, so Dr. Yasmin Alinaghi, Landesgeschäftsführerin des Paritätischen Hessen.

Landesregierung ist bei einigen Vorhaben gar nicht zuständig

Angekündigt werden Regelungen zu EU-Außengrenzen, Asylrecht, Aufenthaltsge­setz, Sozialleistungen, unbegleitete Minderjährige oder Einbürgerungen, für die eine Landesregierung nicht zuständig ist. Dazu gehören u. a. die Ankündigungen, Geduldete pauschal von der Existenzsicherung nach den Analogleistungen des Asyl­bewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) ausschließen zu wollen. „Geduldete Men­schen in Hessen dauerhaft in den reduzierten Grundleistungen des AsylbLG halten zu wollen, die in Höhe und Umfang nicht dem Existenzminimum des Bürgergelds ent­sprechen, ignoriert nicht nur die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers, sondern wäre schlicht illegal“, so Lea Rosenberg, Migrations- und Flüchtlingsreferentin des Paritätischen Hessen und eine der Verfasserinnen der Analyse.

Angriff auf den Jugendschutz und das Kindeswohl

Das gleiche gilt für die Äußerungen zum Umgang mit unbegleitet minderjährigen Flüchtlingen. Sie sollen in Unterkünften untergebracht werden können, die nicht den Jugendhilfestan­dards des Kinder- und Jugendhilfe-Gesetzes (SBG VIII) entsprechen, da die Landesregierung der Auffassung ist, dass nicht alle jungen Ge­flüchteten diese benötigen.
„Diese Planungen sind ein eindeutiger Angriff auf das Kindeswohl und die UN-Kinderrechtskonvention und wären illegal“, so Henning Wienefeld, Landeskoordinator des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) Hessen. „Es darf keinesfalls zu einer Zwei-Klassen-Jugendhilfe kommen, in der Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer Fluchtgeschichte und ihres Aufenthaltsstatus aus der Jugendhilfe aussortiert werden. Es gilt das Primat der Jugendhilfe und das verbietet eine Diskriminierung aufgrund der Fluchtgeschichte.“

Internationales Menschen- und Völkerrecht wird in Frage gestellt

Selbst vor dem internationalen Menschen- und Völkerrecht macht die Landesregie­rung nicht Halt. Im Koalitionsvertrag stellt sie sogar den Nichtzurückweisungs-Grundsatz, das sog. Refoulement-Verbot, in Frage. Danach darf keine Person in ei­nen Staat abgeschoben werden, in dem ihr eine Verletzung grundlegender Men­schenrechte oder eine Kettenabschiebung dorthin droht. „Dieses Zurückweisungs-Verbot ist das Herzstück des internationalen Asylrechts. Es in Zweifel ziehen zu wol­len, wäre schlicht ein verfassungs- und völkerrechtswidriges Ansinnen und führt uns unweigerlich zu der Frage: Will Hessen tatsächlich den Austritt aus der Genfer Flüchtlingskon­vention und der Europäischen Union betreiben?“, so Lea Rosenberg.

Auch liegt dem Koalitionsvertrag der Irrtum zugrunde, das Aufenthaltsgesetz sehe die Ausreise von abgelehnten Asylsuchenden zwingend vor. Durch diese systematische Fehleinschätzung drohen in Hessen relevante Teile des bundesdeutschen Aufent­haltsgesetzes ins Leere zu laufen, das eine Vielzahl von Bleiberechtsregelun­gen un­ter anderem für erwerbstätige Menschen vorsieht. Aus demografischen und wirt­schaftlichen Gründen ist es zwingend geboten, diese zu nutzen.

Fachkräfte und Geflüchtete werden in den Plänen von CDU und SPD gegeneinander ausgespielt, dabei hat Hessen einen massiven Bedarf an Zuwanderung und muss alle inländischen Potenziale zur Linderung des Arbeits- und Fachkräftemangels nutzen.

Statt der im Koalitionsvertrag mehrfach proklamierten Rückführungsoffensive braucht es eine Integrationsoffensive. Sonst kann und wird Integration nicht gelingen – für niemanden in Hessen.

Die „kritische Begleitanalyse des Kapitels 4 Migration und Integration des hessischen Koalitionsvertrags“ ist hier in der Lang­fassung und hier in der Kurzfassung abrufbar.

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